Annikas Story

Fieses Wetter an einem Mittwochabend in Bonn: kalt, windig und nieselig. Direkt am Rhein, also so richtig direkt am Flussufer liegt der Platz des Rugby Clubs Bonn-Rhein-Sieg. Durch die Bäume kann man den Fluss sogar in der Dunkelheit glitzern sehen, und irritierenderweise hört man kehlige Tiergeräusche aus Richtung Rhein. "Ein kleines Tiergehege mit Rehen und Hirschen", erklärt Annika. "Offenbar ist Brunftzeit."

Ihr Team trudelt ein. Was sie gerade vor ein paar Minuten über die Nachrichten erfahren haben: Es wird das letzte Rugby-Training vor dem Lockdown light sein - ab nächster Woche steht das Sporttreiben wieder für vier Wochen still.
"Es war schon das ganze Jahr schwer, unter Coronabedingungen zu trainieren", sagt Annika. "Jeder Verein leidet. Spiele fanden fast nicht statt, das Risiko war einfach zu groß." Sie erzählt, dass es im Sommer den so genannten Tackle Corona-Cup gegeben habe, eine Zehnervariante, um Spielpraxis zu behalten. "Bonn hat nicht teilgenommen. Wir haben uns dagegen entschieden, unsere Spieler und Spielerinnen hätten sich nicht wohlgefühlt. Rückblickend war es die richtige Entscheidung."

Annikas Team trotzt den Umständen. Die Frauen sehen das Training als Chance, Spielzüge ohne Druck zu erproben, neue Laufwege zu erarbeiten. Aber das Spiel fehlt ihnen. "Man kann sich Dinge im Training leicht falsch angewöhnen, denn die Intensität ist nicht gleich. Das Adrenalin fehlt."

Das Training beginnt, die Frauen machen sich warm. Annikas Team besteht aus Frauen zwischen Anfang 20 bis Mitte 40. Es ist reichlich international, denn Bonn ist eine internationale Stadt. Darum moderiert Annika das Training auf deutsch und englisch und nimmt so ihre Spielerinnen aus Schottland, Italien und Spanien mit. Der Verein hat viele gute Spieler*innen aus traditionellen Rugby-Nationen wie dem Vereinigten Königreich, Irland und Neuseeland: Expats, die nach Bonn kommen und ihren Sport mitbringen.

"Ich selbst habe Rugby im Ausland kennen gelernt", sagt sie. "Aber ich erinnere mich an meine Schulzeit: Eine Sportlehrerin stellte Sportarten vor, unter anderem auch Rugby. Damals dachte ich: komischer Sport."

Ein Männersport sei Rugby nicht, finden Annika und ihre Mitspielerinnen. Allerdings sind Frauen in Deutschland reichlich unterrepräsentiert, im Gegensatz zu den großen Rugbynationen: "Da hinken Frauen nicht so hinterher." Auf jeden Fall aber wird Rugby von einem speziellen Schlag Menschen gespielt, die "etwas fearless" seien. Man muss halt Bock auf Kontaktsport haben.